Carte Blanche von Thomas Noack in der Volksstimme vom 22.6.2022
“Dorfentwicklung in Ziefen: Heimatschutz mit Zukunft
Kürzlich besuchte ich in meinem Nachbardorf Ziefen eine Veranstaltung des Baselbieter Heimatschutzes. Der Titel der Veranstaltung lautete: «Ziefen – das Dorf neu sehen». Drei Architektenteams erläuterten im Rahmen eines Rundgangs ihre mutigen Entwürfe für die Entwicklung des historischen Dorfkerns. Dabei wurde etwas sofort deutlich: Unterschiedliche Werte und unterschiedliche Analysen führen zu sehr verschiedenen Bildern für eine zukünftige Gestaltung.
Ziefen ist in meinen Augen eines der schönsten und interessantesten Dörfer des Baselbiets. Historisch ist es ein Bachzeilendorf entlang der Hinteren Frenke, eingebettet in die grossartige Kulturlandschaft des Tafeljuras. Aber das Dorf ist auch geprägt von der lärmigen Hauptstrasse, die sich mitten durch das Dorf zieht, was hier leider zu vernachlässigten alten Gebäuden führt. Die historische Dorfstruktur entlang der Hauptstrasse und der Frenke, so schön sie sein könnte, entspricht den heutigen Ansprüchen an die Lebens-, Arbeits- und Wohnformen leider nicht mehr.
Interessant war es nun, anhand der Entwürfe unterschiedliche Ziele und die damit verbundenen Werte zu diskutieren. Wie lassen sich mit gezielten Massnahmen die Lebensqualität der Menschen, die hier in Zukunft wohnen werden, verbessern? Wo werden sie sich treffen? Wo könnte man eine Kita ermöglichen und wie können die Räume vom Strassenlärm geschützt werden? Und wie könnte das Potential der Frenke, die hier mitten durch das Dorf fliesst, besser genutzt werden?
Meine Bilanz nach diesem Anlass lässt sich so zusammenfassen: Egal, welche Wertvorstellungen und Ziele zuvorderst standen, diese Entwürfe werden helfen, die Diskussion zu führen, wie sich der Dorfkern von Ziefen entwickeln soll. Anhand der Bilder, die mit den Entwürfen in den Köpfen der Menschen entstehen, können die unterschiedlichen Werte, Chancen und Ziele diskutiert und gegeneinander abgewogen werden.
Ich bin sehr gespannt, was sich aus der nun begonnenen offenen Diskussion entwickeln wird. Ich wünsche der Gemeinde, dass diese Diskussion öffentlich stattfindet und sie diese Chance für eine werteorientierte Dorfentwicklung nutzen kann.
Als Planer wünsche ich mir noch viel öfter solche Projekte. Sie erlauben ein lustvolles Entwickeln von differenzierten Zukunftsbildern und das Testen von Ideen an konkreten Entwürfen, die zu einem konstruktiven Dialog der Planer und Planerinnen mit der Politik und mit der Bevölkerung führen.
Solche Diskussionen sind wichtige Instrumente für die Gestaltung unseres Lebensraums. Spannend finde ich auch, dass ausgerechnet der Heimatschutz diese Diskussion lanciert hat. Die Identität und der Erhalt liebgewonnener Werte lassen sich eben nicht immer nur durch den Blick in die Vergangenheit und den absoluten Schutz des Bisherigen bewahren. Vielmehr braucht es mutige, aber sorgfältige und respektvolle Entwürfe, die eine zukunftsorientierte Nutzung ermöglichen und so auch den Erhalt einiger identitätsstiftender Elemente sicherstellen.“